Architekturfotograf in Biel, Tobias Gerber
Spannende Perspektiven finden. Die Kamera penibel ausrichten, dass Linien und Formen sich stimmig abbilden. Auf das richtige Licht warten. Das sind die Dinge, welche die Architekturfotografie für einen Fotografen so interessant machen. Es ist eine Herausforderung für jeden Architekturfotografen, es noch besser zu machen.
Als Architekturfotograf in Biel/Bienne ist man etwas verwöhnt. Der Bielersee ist umringt von schönen Bauten nahe der Stadt. Viele Gebäude sind aus einer Zeit, als man noch mit Stil baute. Nicht nur in der Altstadt sind Objekte denkmalgeschützt. In der ganzen Region Biel findet man Perlen der Architektur.
So auch in Lüterswil: Für die Spar- und Leihkasse Bucheggberg SLB fotografieret ich den Neubau und dokumentierte auch das Projekt vom Rückbau bis zur Eröffnung. Der kompakte, zweigeschossige, moderne Holzbau mit markantem Volumen und einem asymmetrischen Walmdach ist eine Neuinterpretation eines modernen Bauernhauses.
Beim Untergeschoss mit der Tiefgarage und dem Gebäudekern wird Beton verwendet. Der Rest wird in einer Holzbauweise (Traggerippe und Fassade) umgesetzt. Dabei wurde ausschliesslich lokales Holz wie Buche, Fichte und Douglasie verwendet. Sehr gelungen, wie ich finde.
Im ähnlichen Stil sehe ich das Pflegehotel in Sutz am Bielersee.
Inspiration
Julius Shulman, Architekturfotograf
Julius Shulman, oft als „führender Architekturfotograf des 20. Jahrhunderts“ und „Aufzeichner des amerikanischen Modernismus“ bezeichnet, wurde 1910 in Brooklyn geboren und zog 1920 nach Los Angeles. Ohne formale Ausbildung begann seine Karriere 1936, als er zufällig Fotos für den Architekten Richard Neutra machte. Shulmans Werke wurden weltweit bekannt, und 1969 erhielt er die AIAA Architectural Photography Medal. https://juliusshulman.org/
Wenn man seine Bilder sieht, merkt man, dass er «das Auge» hat. Er wusste immer, wie man die Seele eines Hauses einfängt und stimmig als Fotografie wiedergibt. Ich habe mir seine Bildbände gekauft und genau studiert. Das sind ca. 12kg Bild- und Textmaterial. Ein wahrer Fundus auch für die moderne Architekturfotografie. Zur Inspiration blättere ich immer wieder seine Werke durch und lerne, wie er an ein Objekt heranging. Gleichzeitig erfahre ich auch, um was es dem Architekten ging und auf was ich vor Ort zu achten habe.
Case Study Houses
Ich habe mich längst in den Stil der Architekten der sogenannten «Case Study Houses» verliebt. Diese Häuser thronen vornämlich über Hollywood oder der unmittelbaren Nähe zu Los Angeles. Sinn war es, 36 Musterhäuser zu bauen, welche einfach nachzubauen sind und dem Wohnungsmangel in der Nachkriegszeit entgegenzuwirken. Besonders das «Stahl House», entworfen von Pierre Koenig. Dieses Haus kommt in vielen Filmen und Serien aus den 70er Jahren vor. In diesem Zusammenhang darf die erneute Erwähnung von Richard Neutra nicht fehlen! Er entwarf einige Häuser aus dieser Reihe und war eine Ikone der Architektur. Sogar in der Schweiz stehen vier Villen von Neutra.
Gerne erwähne ich auch John Lautner, der das wunderbare Haus in Palm Springs entworfen hat, welches im James Bond Film «Diamantenfieber» vorkommt. Es gehört allerdings nicht zu den «Case Study Houses».
Max Schlup, Biel/Bienne
Bei meinen Recherchen bin ich auf den «Brutalismus» gestossen. Ein Beispiel dazu ist das Bieler Kongresshaus. Das Haus wurde von 1961-66 nach dem Entwurf des Architekten Max Schlup errichtet. Von ihm stammt auch das Gymnasium am Strandboden. Diese beiden Gebäude spielen nicht nur in meiner persönlichen Biografie eine grosse Rolle, sondern sind wohl für jede Bielerin und jeden Bieler herausragende Gebäude mit hohem Wiedererkennungswert. Auch das Farel-Haus am oberen Quai stammt von Max Schlup.
Diese speziellen Bauten wecken das Interesse eines jeden, der eine Kamera mitführt. Dadurch wurden sie für mich zur Inspiration, mich für die Architekturfotografie zu interessieren.
Material und Techniken für die Architekturfotografie
Für Architekturfotos von hoher Qualität braucht es nebst dem Know-How folgende wichtige Gerätschaften:
Kamera mit hoher Auflösung und grossem Dynamikumfang
Ich nutze dazu eine digitale Mittelformatkamera. Das Mittelformat ist nicht wie es der Begriff andeutet kleiner, sondern grösser als das Vollformat. Die Grösse bezieht sich auf den Sensor. Dieser ist der grösste, welches die digitale Fotografie bietet und hat einen grösseren Dynamikumfang als die besten Vollformatkameras. Darunter versteht man die Fähigkeit, Unterschiede in den hellsten und dunkelsten Bereichen einer Szene detailreich und rauscharm darzustellen.
Objektive
Das Tilt-Shift-Objektiv ist ein DAS Werkzeug für einen Architekturfotografen. Dank der Möglichkeit, die Linse zu «verschieben», können stürzende Linien vermieden werden. Das lässt es zu, dass alle vertikalen Linien gerade erscheinen, während ein herkömmliches Objektiv beim «nach oben schauen» die Linien konvergieren lassen würde.
Ich vermeide Brennweiten unter 24mm. Meiner Meinung nach sind extreme Weitwinkelaufnahmen nicht das richtige Mittel, um Räume darzustellen.
Nodalpunktadapter
Jetzt wird es kompliziert. Darum erwähne ich nur das Ergebnis bei der Verwendung eines solchen Geräts in der Architekturfotografie: Mithilfe einer korrekten Drehung um den Nodalpunkt, gelingen atemberaubende Panorama-Bilder mit unglaublich hoher Auflösung. Stellen Sie sich vor, dass Bilder mit mehreren hundert Megapixel riesengross gedruckt werden können und man selbst bei der Betrachtung aus sehr kurzer Distanz, jedes Detail erkennen kann. Das macht Eindruck!
Blitzlicht
Mobil und schnell einsatzbereit. Wenn man es subtil macht, lässt sich Blitzlicht mit dem vorhandenen Tageslicht gut mischen. Sei es auch nur, um Akzente zu setzen oder um die Helligkeit im Raum zu erhöhen. Ich nutze Geräte mit Akku und Funk-Auslöser. So kann ich auch von aussen Aufnahmen erstellen, während es innen blitzt.
Polfilter
Mit einem zirkularen Polfilter kann ich unschöne Reflexionen an Fenstern oder von Wasseroberflächen entfernen. Auch der Himmel wird in der Regel schöner abgebildet. Wer sich im Detail dafür interessiert, kann hier weitreichende Informationen nachlesen: https://www.edmundoptics.de/knowledge-center/application-notes/optics/introduction-to-polarization/
Vorgehen bei der Architekturfotografie
Idealerweise gehen wir gemeinsam durch folgende Phasen:
- Kennenlernen des Architekten und ggf. der Bewohner
- Gemeinsame Besichtigung
- Shot-List erstellen
- Terminplanung
- Fotografie vor Ort an verschiedenen Tagen
- Postproduktion: Bildbearbeitung, Bilder optimieren
- Bilder digital übergeben und archivieren
- Optional: Druck auf Fine Art Papiere
Näheres zur Bildbearbeitung
Jedes Bild besteht meistens aus mehreren Fotos. Vor Ort erstelle ich Belichtungsreihen, damit ich sowohl für die Schatten als auch für die Lichter, detailreiche Bilder habe. Diese Bilder werden dann in Adobe Photoshop zusammengeführt. Ich bin kein Fan von HDR (High Dynamic Range) Bildern. Sie sehen oft überzeichnet und unnatürlich aus. Zudem werden sie mit Automatismen erstellt. Ich führe meine Bilder manuell zusammen. D.H. ich helle dunkle Bereiche auf und dunkle helle Bereiche ab. Dazu nutze ich manuelle Überblendungen von den verschieden hell belichteten Fotos. So entstehen natürlichere Bilder.
Jedes Bild wird zudem noch retuschiert. Störendes wird entfernt.
Weiter achte ich darauf, dass Weisses wirklich weiss ist und dass die Farben natürlich und wahrheitsgetreu wiedergegeben werden.