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Fotograf Biel Tobias Gerber

Das 300 dpi Missverständnis

Das grösste Missverständnis zwischen Agenturen, Marketing und Fotografen: «Ich brauche das Bild dann in 300 dpi, gell!» Was bedeutet das? Eigentlich noch nichts und nur blabla. Bitte lesen Sie dazu meine Erläuterung:

Was gemeint ist:

Mit dieser Aussage wird vermittelt, dass das Bild in bestmöglicher Auflösung benötigt wird. Einerseits, damit man es gross ausdrucken kann oder damit es mit wenig Verlust weiterbearbeitet werden kann.

Warum es falsch ist:

Dpi bedeutet «Dots per Inch» also Punkte pro Inch. Man könnte das auch in Punkte pro Zentimeter angeben, was im europäischen Raum mehr Sinn machen würde. Aber beides zeigt, dass es sich um eine Anzahl Punkte bezogen auf die Länge handelt. Von dem her haben auch kleine Bilder, also auch diejenigen Bilder, die zum grossen Drucken zu klein sind, 300 dpi. Jedes Bild hat demnach, ohne die gewünschte Grösse in Zentimeter oder Inch anzugeben, 300 dpi. Noch verwirrender wird es, wenn ich Ihnen sage, dass diese Punkte für den Drucker Druck-Punkte sind und für den Fotografen Pixel. Wir unterscheiden das hier aber nicht mehr, weil es Photoshop auch nicht macht.

Wie man es richtig macht:

Möchten Sie sich bei diesem Thema nicht als unwissend outen, dann sprechen Sie ab jetzt nicht mehr von 300 dpi, sondern entweder von Megapixeln oder von der gewünschten Druck-Grösse in Zentimeter. Nur dann haben Sie sich korrekt ausgedrückt. Am besten erfahre ich, wie viele Pixel die längere Kante haben soll. Z.B. gibt Facebook an, die Bilder mit 2048 Pixel an der längeren Kante am besten darstellen zu können.

Auflösung

«Wie viele Megapixel hat Ihre Kamera?», werde ich zwar selten gefragt, aber wenn mich jemand fragt, antworte ich meistens mit «Millionen!».

Eine grosse Anzahl Pixel scheint zu faszinieren. Das kommt wohl daher, dass Fotoenthusiasten davon nie genug haben können. Aber wie viele Pixel sind genug? Kurzantwort: 12MP

Längere Antwort: Auch hier kommt es darauf an. Nämlich darauf, wie gross am Ende das Bild dargestellt oder gedruckt werden soll. Ein Full-HD Bildschirm hat nur 2MP. Bei 4K sind es immerhin 8MP. Ich nehme an, das kann selbst Ihre Selfie-Kamera an der Smartphone Front-Seite. 4K wird uns aber als gestochen scharf und extrem hochauflösend verkauft. Wie gross kann ich denn aber ein 8MP Bild drucken?

Die Grösse

Ich habe Photoshop nachrechnen lassen: 4K sind 3840px in der Breite und 2160px in der Höhe. Das sind 8’294’400 Pixel. Mit einer hohen Drucktiefe – also Standard für Fine-Art-Druck – von 300 dpi, errechnet man sich eine Bildbreite von 32.5cm. Das ist grösser als DIN A4!

8MP würden also für ein Cover eines Hochglanzmagazins, fürs Hochzeitsalbum oder auch formatfüllend für eine Zeitungswerbung reichen. Und dabei drucken diese Magazine (Zeitungen schon gar nicht) nicht in 300 dpi, sondern mit deutlich weniger.

Nehmen wir an wir drucken mit nur 240 dpi. Diesen Unterschied würde man selbst bei genauer Betrachtung kaum sehen, dann wäre unser 8MP Bild bereits 40cm an der längeren Kante, was schon ein stattliches Wandbild hergibt. Mit diesem Rechner, können Sie berechnen, wie viele Pixel Ihr Foto für die gewünschte Grösse braucht: https://koethen.de/service/bilddimensionen/

Sie sehen, bereits mit sehr wenigen Pixeln kann man die meisten Bedürfnisse decken. Heute verfügen moderne Kameras über deutlich mehr Pixel. 24MP, 40MP, 60MP oder 100MP (stand 2024/25) ist heute «State Of The Art».

Vor- und Nachteile von hoher Auflösung

Es scheinen, die Vorteile zu überwiegen. «Weniger ist mehr» scheint hier nicht zu stimmen. Grösser ist doch immer besser, oder?

Schon wieder kommt es darauf an! Die Vorteile sind klar: Sie können mit mehr Pixel schlicht und einfach grösser drucken und müssen erst bei Übergrössen Kompromisse mit der Drucktiefe eingehen. Zudem können Sie ein Bild «croppen» also zuschneiden. Gefällt Ihnen ein anderer Ausschnitt bei der Bildbearbeitung plötzlich besser, dann schneiden Sie sich diesen einfach aus. Stichwort digitaler Zoom.

Wenn Sie Landschaftsfotograf sind und Ihre Fotos gross drucken möchten, dann werden diese Vorteile für Sie wichtig sein und überwiegen. Dann kaufen Sie sich bitte eine Kamera, mit möglichst vielen Pixeln. ABER! Vielleicht sind Sie auch an den Nachteilen interessiert, welche für Sie auch relevant sind?

Denn Abstriche müssen bei vielen Pixeln auch gemacht werden. Der grösste und wichtigste Nachteil ist sicher, dass Sensoren mit hoher Auflösung auch eine hohe Pixel-Dichte haben. Das heisst die Pixel haben weniger Platz. Denn die Hersteller von Sensoren nutzen immer den ganzen Platz. Wenn nun auf der gleichen Fläche plötzlich mehr Pixel sind, dann sind diese auch näher zusammen. Dadurch sind diese lichtempfindlichen Halbleiterdetektoren kleiner und verursachen ein höheres Bildrauschen. Das ist das eine. Das andere ist, wenn Pixel näher beisammen sind, muss das Objektiv auch genauer abbilden können – und das können sie oft nicht. Plötzlich haben Sie weniger Schärfe trotz mehr Pixel. Klingt paradox, ist aber so. Bei den verschiedenen Sensorgrössen haben sich jeweils «sweet spots» etabliert. Diese wären bei APS-C 26MP, bei Vollformat 36MP und bei Mittelformat 51MP.

Weitere offensichtliche Nachteile sind die Datenmenge und deren Weiterverarbeitung. Wenn Sie keine 60MP und mehr brauchen, warum sollten Sie sich dann mit derart grossen Dateien herumschlagen? Von einem durchschnittlichen Fotoshooting komme ich mit mehreren hundert Bildern zurück. Möchte ich dann wirklich 3–4-mal grössere Daten haben? Nein, meistens nicht. Je nach Auftrag aber gerne. Auch hier gilt es abzuwägen.

Bildqualität

Was ist nun gute Bildqualität? Wichtiger als die Auflösung und andere Eckdaten der Kamera sind vielmehr Hard-Facts wie Schärfe, Belichtung (und Beleuchtung!) und ob das Bild bei 100% Betrachtung keine Fehler aufweist. Manche Bilder weisen einen unheimlichen Pixel-Matsch auf, sobald man sie am Monitor genau betrachtet.

Technische Bildfehler wie Verzerrungen, chromatische Aberrationen (Farbsäume), Unschärfe, falsche Farbreproduktion oder wüstes Bokeh können ein Foto in der Qualität stark mindern.

Das sind aber nur die technischen Aspekte. Über das «gute Bild» sprechen wir später.

Schlussendlich wissen Sie selbst, dass die besten Bilder völlig unabhängig von den technischen Voraussetzungen entstehen können.